Talismanische Ereignisse
Semesterprojekt und Ausstellung
Auch wenn der genaue Ursprung des Talismans als Begriff ungewiss ist, kann er in Ansätzen etymologisch nachgezeichnet werden. Das Wort Talisman etablierte sich im 17. Jahrhundert in Anlehnung an das italienische „talismano“ in der Bedeutung des „Zauberbildes“. Im Arabischen lässt sich der Begriff auf das mittelgriechische „télesma“ in der Bedeutung von „Abgabe und geweihter Gegenstand“ oder byzantinisch „Zaubergegenstand“ zurückführen. Talismanen werden und wurden also magische Attribute wie auch Eigenschaften, die von Ritualität, Kraft oder Stärkung zeugen, zugeschrieben.
Talismane manifestieren sich in einer Vielzahl von Formen, als Objekte, Zeichen, Bilder, Symbole und Handlungen. Diese Formen wurden im Rahmen des Projekts „Talismanische Ereignisse“ bezogen auf Rituale, sozio-kulturelle Einflüsse und Beziehungen untersucht. Dabei war stets die Frage danach präsent, ob und wie sich das Talismanische zeigt oder sich im Talisman ausdrückt sowie ausdrücken lässt.
So verschieden die jeweiligen Ausgangsgedanken wie auch die individuellen Ansätze der Teilnehmenden des Projekts waren, so haben alle Arbeiten gemeinsam, dass sie eine Übersetzung in das Materielle fanden. Dabei waren die individuellen und künstlerischen Forschungsprozesse von den Interaktionen und Beziehungen geprägt, die zu Objekten oder Erfahrungen sowie ihrer Materialität und Immaterialität geführt werden. Entstanden sind äußerst sensible und private Körperbezogene Objekte, die als Vergegenständlichungen von talismanischen Gedanken, Beobachtungen, Fragestellungen und Antworten gelesen werden können.
Wintersemester 20/21
Text der Kuration: Anne Sophie Ruth Schneider, Tobias Behley, Prof:in Melanie Isverding
Ausstellungsinformationen
07.08.–28.08.2021
Hoher Weg 34
31134 Hildesheim
Mitwirkende
Kuration: Prof:in Melanie Isverding, Anne Sophie Ruth Schneider, Tobias Behley. Fotos: Lara Köhler. Grafik: Johanna Schäfers.
Einzelarbeiten
Talismanische Ereignisse
Unter die Haut
Sailor Moon Talismanisch
Talismanisch Stickern
Kairoistische Talismane
Mixed Magic
SilverBoy
Meerglaserinnerung
Faltungen
Meine Zeichen
Schlecht Geträumt
Meine Geschichte im Makramee
Schultern und Tragen
Miniature Memories
Talismane sind Bildobjekte, die, anders als einfache Glücksbringer, für einen konkreten Zweck hergestellt werden.
Talismane und ihre kulturellen Wandlungen
Mit dem Wort Talisman assoziiere ich nicht nur ein kraftvolles Objekt, was am Körper getragen wird. Als Italienerin ist mein erster Gedanke dazu das Kochbuch „Il Talismano della felicità“ (übersetzt: „Der Talisman des Glücks“) aus dem Jahr 1929 – das wahrscheinlich meist verkaufte Kochbuch auf der ganzen Halbinsel. Ein Kochbuch als Talisman: eine Anleitung zum Glück, eine Einladung zum täglichen Ritual und eine kraftspendende Funktion. Das Buch war (und ist immer noch) ein beliebtes Hochzeitsgeschenk, obwohl die wenigsten vermutlich noch die Rezepte aus dem Buch lesen. Dennoch hat es eine symbolische Bedeutung, es gilt als ein Glückwunsch.
Talismane sind kulturelle Träger, die mit Menschen durch die Welt reisen und migrieren. Sie machen unsere menschliche Vulnerabilität und Zerbrechlichkeit sichtbar: sie stellen universale Bedürfnisse nach Gesundheit, Schutz, Glück und Magie ins Zentrum. Talismane tragen Spuren von kulturellem Austausch in sich, was in ausgesuchten Materialien, Formen oder verwendeten Techniken deutlich wird. Sie sind vernetzende Objekte, die nicht nur Menschen miteinander verbinden, sondern auch Brücken zwischen verschiedenen Zeiten und Orten bauen. Reliquien, Steine oder Münzen aus vergangenen Epochen untergehen einer Transformation und gewinnen an neuer Bedeutung durch eine neue Nutzung.
Text: Silvia Gaetti, Kuratorin der Asiatischen Sammlungen, GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig